Fischamend im Bombenhagel
Sie kamen nicht in der Nacht, sondern am helllichten Tage – aus der Sonne – amerikanische Bomber. 12.18 Uhr. 7 Minuten später liegt Fischamend in Trümmern.
Die Chronik dieser 7 Minuten kurz zusammengefasst:
11.28 Uhr: Die Alarmsirenen ertönen.
12.02 Uhr: Jagdflugzeuge von Süden und Osten kommend überfliegen Fischamend in Richtung Westen. Flakfeuer setzt ein.
12.15 Uhr: Bomber von Süden kommend – die erste Welle. Sie fliegen in großer Höhe, die explodierenden Flakgranaten liegen tiefer. Flakfeuer fast eingestellt.
12.18 Uhr: Die zweite und dritte Welle greift an. Starkes Motorengeräusch ist zu hören. Abwurf der ersten schweren Bomben.
Ziel des Angriffs: Die Wiener Neustädter Flugzeugwerke.
Fischamend im Bombenhagel.
12.25 Uhr: Der Horror ist zu Ende.
Die Fakten kurz – die Auswirkungen jedoch unvorstellbar.
Der Ort:
Die Licht- und Wasserversorgung war sofort ausgefallen, ebenso die Fernsprecher. Die erste Eisenbahnbrücke über die Fischa – unpassierbar. Die Wiener Neustädter Flugzeugwerke (WNF), die Firma Schütz & Patry und der Bahnhof Dorf Fischamend waren schwer beschädigt. Die Tuchfabrik Jubb A.G. und die Metallwarenfabrik Bach & Plazotta ebenfalls beschädigt. Die NSDAP-Ortsgruppenleitung – Totalverlust. Bei der Amtsstelle Fischamend der Bezirkshauptmannschaft Simmering (Rathaus) war das Haus zur Hälfte weg. Beide Friedhöfe wurden stark getroffen. Der Dorffriedhof erlitt sogar 3 Treffer – Beschädigungen an der Dorfkirche. Die Volksschule zu 80 % beschädigt. Die Gregerstraße war unmittelbar nach dem Angriff unpassierbar.
Die Menschen:
Für die Fischamender Bevölkerung zogen sich diese 7 Minuten hin wie Stunden. Es traf hauptsächlich Frauen und Kinder.
Obwohl das Nazi-Regime durch den Bau des Wiener Neustädter Flugzeugwerks (WNF) in Fischamend und durch den fortschreitenden Krieg schon viel früher mit einer Bombardierung desselben rechnete, wurden nur wenige Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung getroffen. Die Menschen suchten in einem der 3 existierenden Bunker sowie in Splittergräben und in den Kellern ihrer Wohnhäuser Zuflucht, wobei letztere vor dem fliegenden Tod häufig nur unzureichenden Schutz boten.
Diese menschenverachtende Einstellung kostete 130 Fischamender*innen das Leben.
Tote, Verschüttete, Verletzte und Ausgebombte – Opfer dieses verheerenden Krieges. Familienmitglieder verhaftet, in Lager verschleppt oder der Gestapo ausgeliefert. Hunger, Not und Bomben. Das Leid, dass der Bevölkerung zugemutet wurde, ist unvorstellbar.
Wie viele von den Nazis nach Fischamend verschleppte und zur Arbeit getriebene Zwangsarbeiter*innen dieser Bombenangriff das Leben kostete, ist unklar. Sie wurden aus ihren Familien gerissen und ihrer Menschenwürde beraubt; ihre Leiber geschunden von Arbeit, Kälte und Hunger; und die Anzahl ihrer Toten – für die Machthaber keine Erwähnung wert.
Sieben Minuten, die Fischamend und seine Bevölkerung veränderten. Sieben Minuten, deren zerstörerisches Ausmaß wir niemals vergessen dürfen. Sieben Minuten, die zu viele Tote forderten. Sieben Minuten, die die Sinnlosigkeit von Krieg verdeutlichen.